Die Würfel sind gefallen

Eigentlich spielt man das Spiel des Lebens mit den Karten, die man auf die Hand bekommt. Hin und wieder bekommt man aber die Chance ein paar davon auszutauschen.

Bei mir war das jetzt der Fall. Und der 6. April 2016 wird mein Lebenlang als „Tag der Entscheidung“ in meinem Gedächtnis bleiben. Denn ich habe meine  eigene ultimative Prüfung bestanden und meine Ärztin eingeweiht. Nach reichlicher Überlegung habe ich mich bei vollem Bewusstsein für eine Unterschenkelamputation entschieden.

Sie hat nicht fragen müssen warum. Wir haben wiederholt und ausführlich über meine Möglichkeiten gesprochen. Aber viele andere fragen das. Also, warum? Ich glaube, wenn ich das jetzt aufschreibe wird es banaler klingen als es ist. Diese Entscheidung wird mein Leben grundlegend verändern. Diese Entscheidung wird mein Leben verbessern. Denn derzeit kann ich nicht laufen, nicht Autofahren und bin in einigen Aspekten von anderen abhängig. Eine Versteifung des Sprunggelenks und auch die Amputation geben mir all das wieder zurück. Jedes auf  seine Weise. Und beide Varianten haben ihre Vorteile und ich kann gut verstehen, wenn man sich für eine Versteifung entscheidet.

Nur für mich ist das nichts. Ich glaube mehr Informationen einzuholen, als ich es im Vorfeld getan habe, geht fast nicht. Und die Schlüsse, die ich gezogen habe, werden auch auf wohl niemanden sonst anwendbar sein. Für mich aber steht fest, dass ein steifer Fuß ein Vertrauen nicht wieder bekommen  kann. Ich habe mein Leben lang  immer getan was ich wollte wenn ich es wollte. Und wenn das hieß, 600 km mit dem Rad  zu fahren oder Paragliden zu gehen. Dieses Vertrauen habe ich trotz der grandiosen Arbeit meiner Ärzte irgendwo verloren. Außerdem wäre mein Fuß nur noch zum stehen da und sonst funktionslos. Keine Bewegung mehr drin und gehen auch nur mit Abrollhilfe, wohl für immer. Dadurch könnte ich auch keine Stöße oder ähnliches abfedern und die Knochen, die bisher noch heil sind, würden in absehbarer Zeit wohl auch mal brechen. Und Sport? Mit Arthrodese nur noch im Sitzen möglich. So sagte es ein Betroffener zu mir. Das kommt für mich nicht in Frage. Sitzen kann ich noch, wenn ich alt bin.

Und das geht dann auch mit einer Prothese. Überhaupt macht da die heutige Technik so viel möglich, dass  ich in Sachen Bewegung kaum Abstriche werde machen müssen. Das bestätigte mir mein Prothesenbauer bereits. Denn da habe ich schon jemanden gefunden, mit dem ich mich diesbezüglich  sehr wohl fühle! Mit Sicherheit werden da noch Herausforderungen auf mich zukommen, die ich noch nicht einschätzen kann. Aber bei was ist das nicht so?

Nachdem die Entscheidungoffiziell raus war, ging es mir wirklich gut. Das hat mich doch sehr erstaunt. Auch der Termin für die OP hat das nicht geändert. Es geht jetzt schnell, in weniger als 2 Wochen ist es soweit. Und auch das finde ich gut! Umso schneller bin ich wieder auf den Beinen. Zugegeben, auf 1,5 Beinen und dann später  mit Prothese, aber schon bald ohne Krücken und frei! Ich kann es kaum erwarten wieder unterwegs zu sein und Freunde in ganz Europa zu besuchen.

Ganz ehrlich? Gestern Abend vorm einschlafen bin ich wahnsinnig nervös geworden. So sehr, dass ich eine Freundin vom schlafen abgehalten habe und sie mich ablenkt. Woher das plötzlich kam und warum genau habe ich nicht verstanden. Vermutlich weil es jetzt fest steht. Und es eine krasse Entscheidung ist. Aber ich weiß warum ich das mache und bin noch immer überzeugt, dass es bei einer Versteifung noch schlimmer in mir aussähe.


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