Kleine, bunte Stimmungsaufheller

Meine liebe Freundin Kerstin machte mir zu Weihnachten ein Geschenk, das ganz hervorragend zu meiner momentanen Situation passt. Wenn ich nach einer der diversen Kontrollen, Krankenhausaufenthalte oder einfach zwischendurch jemanden zum Zuhören oder Ablenken brauche, ist sie immer zur Stelle. Ich danke dir von Herzen dafür! Weil es natürlich Situationen gibt, in denen sie doch nicht da sein kann, gab es einen Ersatz – meine kleinen, bunten Stimmungsaufheller.

Nein, Kerstin dealt nicht mit illegalen Substanzen und arbeitet auch nicht in der Pharmazie. Ich bekam vier kleine, wiederverschließbare Behältnisse. Sie sind bunt gefüllt mit Trostschokolade, Frustschutz, Geduldsfäden und Brocken gegen „wenn es mal nicht so ‚prickelnd‘ läuft„. Und dieses Quartett konnte ich in den vergangenen Wochen mal wieder mehr als gut gebrauchen.

img_1081Angesichts des ich-weiß-nicht-mehr-wievielten Belastungsverbots war mir durchaus immer wieder zum heulen zumute. So richtig trösten konnte mich da nichts. Ablenken und auf Seite schieben geht noch, aber nur zeitweise. Dann kommt es wieder hoch und erfordert viel Willen und Kraft, mich nicht fallen zu lassen. Ich weiß, man muss sich auch den weniger schönen Gefühlen stellen, um sie verarbeiten und damit klar kommen zu können. Sitzt man aber im Büro, ist bei der Phyiotherapie oder so, dann ist das doch nicht so ganz der beste Moment dafür.

Und ganz ehrlich, wenn ich immer wieder in kurzen Intervallen an diesen Punkt komme, an dem Trostschoki mehr als angebracht wäre, führt das bei mir auch zu Frust. img_1083Warum darf ich nicht endlich mal ohne Pause weiter machen dürfen? Seit 18 Monaten kommt eine Herausforderung nach der anderen. Vor dem Fußball habe ich Leichtathletik gemacht. Ich war Sprinter. Das hier ist ein Marathon – mindestens. Dafür war ich noch nie gemacht. Meine Frusttoleranzgrenze ähnelt einer Limbostange und wird Runde um Runde weiter nach unten gehängt. Es wird Runde um Runde schwerer nicht umzufallen oder gar alles einzureißen. Natürlich ist eine Blase ein Klacks im Vergleich zu einer ewig langen OP mit Bypass und Lappenplastik. Aber damals hing die Limbostange noch auf 2 Metern. Heute hängt sie maximal auf Hüfthöhe: noch gehts, aber… Und so bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich hinnehme, akzeptiere (wohl oder übel) und nach vorn schaue. Schaue dahin, wo ich wieder sein werde. Mein Blick trübt sich manchmal und ich würde ihn dann gern klarer bekommen. Es gab Zeiten, da habe ich vor mich hin geflucht. Und das hat geholfen. Mittlerweile sind mir die Schimpfworte aber ausgegangen. Dafür machen das jetzt andere. Es hat eineinhalb Jahre gedauert, aber jetzt sitzt auch ein Prof. R. vor mir und beginnt zu fluchen. Ich bin mir sicher, dass er in Sachen Heilungsverlauf leidgeprüft ist. Also hatte ich nicht erwartet, so etwas jemals von ihm zu hören. Irgendwie hilft das aber auch. Wie gern würde ich gegen den Frust so lange laufen gehen, bis ich nur noch daran denken kann einen Fuß vor den anderen zu setzen. Aber halt, da fehlt ja eine Kleinigkeit – ein Fuß.

Hier kommt diese berühmt berüchtigte Geduld ins Spiel. Ein Thema, über das ich mich schon mehrfach ausgelassen habe. img_1082Ich muss ja nur das Glas aufmachen und ein paar Geduldsfäden futtern. Die können dann meine reparieren, denn die sind schon an vielen Stellen dünn geworden und auch des Öfteren durchgerissen. Die Zeit hat sie behelfsmäßig neu verknotet. Die Schwachstellen aber bleiben. Und so kommt es, dass mir zur Zeit irgendwann Tränen aus den Augen kullern, wenn ich gefragt werde, wie es geht oder wie lange ich noch mit Stützen unterwegs sein muss.

Ich hoffe sehr, dass ich zeitnah wieder erlöst werde. img_1084Denn es ist gerade gar nicht prickelnd und laufen tut es gleich gar nicht. Nicht laufen ist wirklich sch***! Und doch ist diese Aussage nicht annähernd genug. Letztens bin ich schon mit dem falschen Fuß aufgestanden. Der Tag war hin, trotz erfreulicher Nachrichten aus der Arbeitswelt. Dort läuft es sogar prickelnd. Nur, was bringt das, wenn die Limbostange dem Boden immer näher kommt?

Das schöne beim Limbo ist ja, dass man nach dem Hinfallen eine neue Runde starten kann und die Stange dann wieder oben hängt. Ich stehe jetzt auf und futtere meine kleinen, bunten Stimmungsaufheller. Dann kommt die nächste Runde und es wird schon irgendwie weiter gehen.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar