Nachdem der Alltag sich langsam wieder breit macht, der Fußball wieder aktiver Teil meines Lebens wird und sich auch so alles wieder einspielt, kann ich auch wieder neue Gadgets für meine Prothese ausprobieren. Wobei ausprobieren es nicht ganz trifft. Das Fit Kit von ottobock war gar nicht zum Experimentieren sondern direkt zum Behalten gedacht.
Beim Fit Kit handelt es sich um eine Zusammenstellung von Stumpfstrümpfen, mit denen man Stumpfschwankungen ausgleichen kann. Stumpfstrumpf ist ja mein neues Lieblingswort! Ist ein bisschen wie: Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid. Stumpfstrumpf, Stumpfstrumpf, Stumpfstrumpf, Stumpfstrumpf.
Genug der Spielstunde. So ein Stumpf verändert sich nicht nur mit der Zeit, sondern gern auch mal über einen einzelnen Tag. Sein Umfang nimmt zu oder ab, je nach Aktivitätsgrad, Außentemperatur, Gesamtkörpergewicht, zugeführten Nahrungsmitteln… Das ist in einer Prothese nicht unbedingt von Vorteil, denn der Schaft verändert sich ja nicht. Also muss man dieser Umfangsschwankungen anders Herr werden. Und da kommen Stumpfstrümpfe ins Spiel.
Wir sprechen hier nicht von mehreren Zentimetern Veränderung. Teilweise reichen wenige Millimeter, um die Prothese unbequem zu machen. Wird der Stumpf also dünner und der Stumpf kommt am Schaftboden auf, steuert man mit einer Lage Stoff gegen, weil man den Freiraum ausfüllt und die Prothese sitzt wieder ganz fest. Umgekehrt kann es auch sein, dass der Stumpf sich ausdehnt und mehr Platz im Schaft braucht. In diesem Fall heißt es also: weniger Strumpf. Werden solche Schwankungen ignoriert kann man sich prima die Haut aufreiben oder Blasen laufen. Da muss jeder Amputiertenneuling durch und lernen, wie es sich anfühlt. Druck, stechen, reiben, jucken etc. pp.
Ich für meinen Fall kann da noch viele Löffel voll Weisheit zu futtern gebrauchen. Gerade in den letzten Tagen springe ich fleißig in der Anzahl der Strumpflagen hin und her. Und das obwohl ich gerade ein paar Wochen hatte, in denen ich voll zufrieden war. Tja, da war ich in Reha, lief meist über den selben Boden, hatte eine konstante Umgebungstemperatur, immer etwa gleich viel Bewegung. Jetzt verbringe ich viele Abende auch wieder auf dem Sportplatz, bin im Büro oder der Uni, habe andere Bewegungsmuster und versuche zeitgleich wieder in einen lauflastigen Sport zu kommen. Wie immer viele Baustellen und viel Lernpotential.
Mitten in diese Phase kommt also das Fit Kit. Ursprünglich wurde es von ottobock für das Harmony System entwickelt. Ich laufe das nicht, ist aber auch egal. Die Strümpfe erfüllen auch so in meinem Vakuum genau ihren Zweck. Mein Kit kam mit 6 Strümpfen, 2 Spots und einer DVD in einer Tasche.
Die Tasche kam mir sehr gelegen, weil meine Strümpfe bisher immer lose irgendwo rumgeflogen sind und ich gern auf die Suche nach dem gewünschten Strumpf ging. Jetzt sind sie immer alle schön beisammen und sind auch unterwegs im Rucksack schnell zu finden. Überhaupt mag ich dieses Set gern. Die mitgelieferten Strümpfe sind sehr unterschiedlich. Die DVD erklärt, was der Hersteller sich dabei so gedacht hat. Achtung: das Audio der DVD ist komplett auf Englisch.
Zwei der Strümpfe sind ganz kurz (schwarzer Rand). Sie sind mehr wie ein Käppchen und gerade lang genug die Stumpfspitze zu verpacken. Zwei andere Strümpfe (roter Rand) gehen mir bis etwa zur Kniekehle. Die schwarzen und roten Strümpfe gibt es einmal in eng und einmal in weit. Außerdem kommen noch zwei etwa linerlange Nylonstrümpfe dazu. Abgerundet wird das Fit Kit mit 2 sogenannten Spots.
Mit diesen Utensilien darf ich also jetzt hantieren und puzzeln. Es gibt eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten. Die DVD empfiehlt bei zu viel Spiel im Schaft erst einmal einen der Spots zu verwenden.
Den Silikonspot klebt man direkt an den Liner (beim Harmony sind Liner und Spot aus dem selben Material; aber auch bei einem mit Stoff überzogenen Einer funktioniert es gut). Damit der Spot wirklich gar nicht verrutscht, kommt dann einer der Strümpfe oben drüber. Die Spots wirken sehr punktuell gegen den Druck. War das nicht des Rätsels Lösung soll ein schwarzer Strumpf angezogen werden.
Am besten kommt darüber einer der Nylonstrümpfe, damit die Fusseln nicht ins Ventil kommen. Bringt auch diese Variante keine Besserung, so die DVD, und der Stumpf kommt noch immer zu sehr am Boden auf, soll der Anwender zur roten Socke greifen. Diese füllt den gesamten Schaft aus. Auch hier wieder einmal Nylon gegen die Flusen drüber. Manchmal ist das alles nichts und ein einzelner dünner Nylonstrumpf führt zum Ziel.
Und wenn der Spot oder der schwarze Strumpf alles schlimmer machen?
Dann rät die DVD: weg damit und nur lange Strümpfe nehmen. Denn in diesem Fall rutsche der Stumpf zu tief in den Schaft und müsse insgesamt angehoben werden. Es gibt als viele Möglichkeiten zu puzzeln und auszuprobieren.
Die ersten Tage war ich durch diese ganzen Optionen eher überfordert als alles andere. Mittlerweile finde ich es aber sehr charmant, dass man so gezielt arbeiten kann. Jedenfalls meistens. Ich lerne und puzzle noch. Am zweiten Tag mit den Stumpftrümpfen aus dem Fit Kit habe ich mir erst einmal die Haut dort aufgerieben, wo der rote Strumpf aufhört. Das hat sich gelegt und macht keine Probleme mehr.
Das ottobock Fit Kit ist nun mein ständiger, flexibler Begleiter. In der Tasche ist alles an einer Stelle und griffbereit. Meiner Meinung nach ein durch und durch praktisches Zubehör.
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