Hallo Benzinschleuder!

In letzter Zeit ist so viel passiert, dass ich noch nicht dazu gekommen bin über etwas phänomenal Tolles zu berichten. Merkt euch diese Worte, denn es ist das erste und vielleicht auch letzte Mal, dass ich sie in Verbindung mit Auto fahren bringe.

Ganz ehrlich, noch finde es fantastisch selbst mit meiner neuen Benzinschleuder durch die Gegend zu düsen. Denn endlich wieder Auto zu fahren heißt für mich auch: endlich wieder unabhängig zu sein! Wieder Termine machen zu können ganz ohne Vorbehalt, weil ich niemanden mehr fragen muss, ob ich gefahren werden kann. Mich wieder spontan mit Freunden treffen. Das ist ein wahnsinnig tolles Gefühl! 🙂

Und das, wo ein Auto für mich bisher immer nur Mittel zum Zweck war. Richtig Spaß machte mir nur ein Rennwagen mit Straßenzulassung, mit dem ich mit 290 Sachen über die Autobahn brettern durfte. Und fast dahin kam auch das ein-Tages-Vergnügen mit einem Audi TT. Solche Autos sind für mich die perfekte Umsetzung von Fahrvergnügen. Alle anderen bringen mich, und ggf. andere Personen, schlicht von A nach B.

Jetzt gerade ist mein Auto für mich aber viel mehr als einfach nur ein Transportmittel. Es gibt mir das zurück, was mir ein Jahr lang fehlte. AUTOnomie! Und die koste ich seit zwei Wochen voll aus. Es ist so schön, nach einer Trommelrunde noch spontan mit lieben Menschen in deren Garten zu sitzen. Es ist auch schön, mal eben für eine kurze Playstationeinlage bei einem Freund aufzuschlagen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich in einem Jahr ohne selbst zu fahren nur ein einziges Mal nicht wo hin gekommen bin, wo ich gern hinwollte. Das ist eine grandiose Quote!

Wenn ich so in meinem neuen Cabrio fahre und mir der Fahrtwind die Haare zerzaust, fühlt es sich an, als könnte ich wieder die ganze Welt erobern. Rechst und links der schmalen Straße schmiegen sich grüne Wiesen wie ein weicher Teppich auf die Hügel. In der Ferne sticht der Kirchturm aus einer kleine Ortschaft, die friedlich im Licht der untergehenden Sonne den vergangenen Tag verabschiedet. Neuerdings bleibe ich bei so einem Anblick auch am Straßenrand stehen und genieße einfach das Bild und den Moment. Jeder, der sich einfach in/auf einen fahrbaren Untersatz setzen und davon fahren kann, sollte sich sehr glücklich schätzen und sich hin und wieder einen Moment nehmen, um es einfach zu genießen. Das habe ich in meinem Jahr Abstinenz lernen dürfen.

Als ich dann im April die ärztliche Zustimmung zum selbst Fahren bekam, stellte sich nur noch die Frage, ob ich rein rechtlich überhaupt einfach so fahren darf und mit welchem Fahrzeug.

Mit Prothese darf man prinzipiell auch einfach so Schaltwagen fahren. Wenigstens so lange, wie keine elektronischen Komponenten verbaut sind. Denn diese könnten sich bei einer Fehlfunktion verselbständigen und willkürlich in den Straßenverkehr eingreifen. Nun ist das bei mir nicht der Fall, also habe ich mich damit nicht weiter befasst. Allerdings kann es ja auch passieren, dass ein Prothesenträger seine Prothese mal nicht tragen kann. Ist mir ja kürzlich auch passiert. Dann ist ein Schaltwagen doch denkbar blöd, wenn ich zeitweise ein zu kurzes Bein habe und nicht mehr an das Kupplungspedal komme. Wie ich mich und mein Glück kenne, bin ich da gerade irgendwo mitten in der Pampa. Der Einfachheit halber, habe ich mir also einen Automatikwagen geholt und mein kleines Schaltautochen schweren Herzens verkauft. Ich darf auch einfach so fahren und muss keine Eintragung in meinem Führerschein machen lassen. Bis das klar war, ist einiges Wasser den Rhein runter geflossen. Ich rate allen, die in eine solche Lage kommen: fragt euren Prothesenbauer, wie es sich mit Fällen wie eurem verhält. Der weiß Bescheid oder kennt wen, den man fragen kann.

Meine Erfahrung ist nämlich, dass auch nicht alle Polizisten genau wissen, wie die Sache sich verhält. Ich möchte aber nicht die Dumme sein und Schuld bekommen, wenn mir jemand hinten drauf fährt. Weil ich mich mit dem Thema schon befasst hatte, bevor ich einen Prothesenbauer hatte, gibt es einiges was ich außer dem zu berichten weiß.

Die örtliche kleine Straßenverkehrsbehörde nimmt zwar Anträge entgegen und lässt KFZ zu, kann aber nicht helfen. Immerhin lernte ich, dass es sich bei meinem Anliegen um das Problem der Bewegungsbehinderungen geht. Auch die große Zulassungsstelle mit Führerscheinstelle war nicht die richtige Anlaufstelle für mich. Dort wurde ich an den TÜV verwiesen und siehe da, ein äußert freundlicher Sachverständiger konnte mir weiter helfen.

Denn die Infos der TÜV Internetseite zum Autofahren mit Behinderung

Autofahren mit Behinderung

fand ich doch irgendwie extrem, wenn ich doch mit einem Automatikwagen keinerlei Beeinträchtigung mehr habe. Und auch die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.

Der Sachverständige sagte immerhin diesen Satz: „Wenn Sie ein Fahrzeug fahren, bei dem Sie den linken Fuß nicht brauchen, ist es prinzipiell OK zu fahren.“ Auf der sicheren Seite allerdings wäre ich, wenn ich mir eine Fahrschule mit Automatikauto suche und mit diesem Auto und einem Fahrlehrer eine sogenannte „Fahrprobe auf Wunsch“ beim TÜV mache. Das ist ein bisschen wie eine Führerscheinprüfung, nur, dass man beweisen muss, dass man NOCH fahren kann. Dabei könnte man dann auch direkt einspurige Fahrzeuge (zB Motorrräder, Roller) testen. Danach bekäme ich ein Gutachten und könnte eventuelle Einschränkungen in meinen Führerschein eintragen lassen. Allein die Fahrprobe kostet etwa 140 Euro.

Da war ich ganz schön froh, als mein Prothesenbauer meinte er kenne niemanden, der das hätte machen müssen. Und siehe da, er konnte mir auch die entsprechenden Paragraphen dazu besorgen. Denn es ist, wie es ist, wir bewegen uns da in einer rechtlichen Grauzone. Jetzt habe ich immer ein Papierchen im Auto, auf dem steht, warum ich einfach so fahren darf. Das regelt nämlich die FeV in §2

(1) Wer sich infolge körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet. Die Pflicht zur Vorsorge, namentlich durch das Anbringen geeigneter Einrichtungen an Fahrzeugen, durch den Ersatz fehlender Gliedmaßen mittels künstlicher Glieder, durch Begleitung oder durch das Tragen von Abzeichen oder Kennzeichen, obliegt dem Verkehrsteilnehmer selbst oder einem für ihn Verantwortlichen.

Mit einer Unterschenkelamputation links, mit oder ohne Prothese, einem Automatikauto und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, darf ich einfach so wieder am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen. Der deutschen Bürokratie sei dank.

Meine Versicherung hat da übrigens so gar nichts gegen, solange Ärzte keine Bedenken haben. Das abzuklären hat ausnahmsweise wirklich nur ein Telefonat gebraucht.

So düse ich jetzt also wieder durch die Gegend und erobere mir das Leben, wie ich es mir vorstelle, immer mehr zurück.

 

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