Während das alltägliche Leben so mit und mit immer mehr zu mir zurück findet, gibt es etwas, das ich doch noch immer lernen muss. Und das ist diese Sache mit der Geduld. Im Vergleich zu der Zeit vor dem Unfall bin ich jetzt die Ruhe in Person, als geduldigen Mensch würde ich mich dennoch nicht bezeichnen.
Zwar ist es so, dass auch ein weiterer Aufschub der Belastungsphase um locker vier Wochen, mich nicht mehr fertig machen. Trotzdem ist und bleibt es hart, das eigene Ziel immer wieder in die Ferne rücken zu sehen. Ein bisschen komme ich mir vor, wie ein Zirkuspferd, das immer hinter der Möhre vor der Nase her trabt. „Schau mal, was du haben könntest, wenn du denn dran kämst“, höre ich eine Stimme in meinem Ohr sagen.
Zum Glück weiß ich, dass es diese Stimme nur in meiner Einbildung gibt! Denn Dr. L ist so weit, dass sie im Grunde nicht nur mir Geduld verordnet, sondern gleich sich selbst mit. Sie würde mich auch lieber das nächste Mal mit Prothese sehen, aber das wird noch nicht passieren. Und weil ich das G-Wort so unendlich oft hören musste, erkläre ich es zu meinem persönlichen Unwort des Jahres 2016.
Gutmensch, Lügenpresse, Sozialtourismus, Opfer-Abo und Dönermorde können einpacken. Geduld ist das unwortigste Unwort überhaupt. Und was ist Geduld überhaupt?
Der Duden erklärt die Geduld so: „Ausdauer im ruhigen, beherrschten, nachsichtigen Ertragen oder Abwarten von etwas.“ Und ich dachte, ich hätte meine Ausdauer im Krankenhausbett verloren, scheinbar habe ich doch noch welche. Zwar keine sportliche mehr, aber immerhin kann ich scheinbar jetzt besser ruhig, beherrscht und nachsichtig ertragen. Und ‚ertragen‘ trifft den Nagel auf den Kopf.
Damit das besser geht werde ich mich weiterhin vom Leben, meiner Familie und Freunden ablenken lassen. Dann merkt man schon viel weniger, dass man abwartet. Und ganz nebenher übe ich mich in Geduld, denn wer möchte schon arm sein?
Geduld bringt Frieden.
Wer Geduld hat, besitzt sich selbst.
Wer sich selbst nicht besitzt, ist arm.
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