Persönliche Helden

Heute beginnen die 15. Paralympischen Sommerspiele in Rio. Bis zum 18. September werden sich wieder unzählige Sportler in ihren Sportarten messen und alles aus sich heraus holen. Einige werden die harte Trainingsarbeit der vergangen Jahre mit einer Medaille belohnen und andere werden vielleicht von sich selbst enttäuscht sein. Soweit ist doch alles so, wie auch bei den Olympischen Spielen vor ein paar Wochen. Und doch ist es für viele anders.

Sie sehen dort nicht einfach grandiose Sportler, die Dinge leisten, die wir Fernsehzuschauer vielleicht nie schaffen würden. Sie sehen dort behinderte Menschen. Oder aber sie sehen die wahren sportlichen Helden. Wie auch immer du es betrachtest, paralympische Sportler würden oft lieber als Sportler gesehen, der in seinem Sport großartiges vollbringt. Wofür wurden ganz eigene Spiele für Menschen mit Behinderung geschaffen? Warum lässt man sie nicht bei den „normalen“ mitmachen?

Darauf möchte ich aber gar nicht hinaus. Sinn und Unsinn von Kategorien und Schubladendenken möchte ich heute nicht bearbeiten. Vielmehr möchte ich den Blick auf etwas anderes lenken und nebenher Werbung für die Paralympics machen. BBC 4 hat meiner Meinung nach einen grandiosen Trailer herausgebracht: We’re the Superhumans zeigt warum jeder „Yes, I can“ sagen kann (für das Video ein Stückchen runterscrollen).

Solche großen Sportevents bringen uns doch immer wieder Menschen direkt ins Wohnzimmer (oder neuerdings auch unterwegs auf’s Smartphone), die wir uns zum Vorbild nehmen, denen wir nacheifern wollen. Denn sie schaffen Dinge, von denen wir vielleicht selbst träumen. Sie arbeiten hart und unverdrieslich für ihren Traum.

Und das machen nicht nur Sportler. So schauen wir im Laufe unseres Lebens doch zu den unterschiedlichsten Charakteren auf und haben verschiedene Helden. Am Anfang sind es oft die eigenen Eltern, weil sie doch einfach alles können. Später vielleicht Robin Hood, der von den Reichen nimmt, um es den Armen zu geben. Oder Superman, der gleich die ganze Welt retten könnte.

Zu meinen persönlichen Kindheitshelden gehörten Klaus Störtebecker und Robin Hood. Als Teenager, wollte ich meinen eigenen Weg gehen und brauchte keine Helden oder Vorbilder. Ich wollte niemandem nacheifern. Aber diese Zeit ist lange vorbei. Zwar kann ich heute nicht genau sagen, wer mein Vorbild ist, aber es gibt Persönlichkeiten da draußen, von denen ich mir gern eine Scheibe abschneiden würde.

Natürlich wäre es leicht gesagt hier jetzt aktive/passive Sportler zu nennen. Auch solche die durch Schicksalsschläge zu den Paralympics gekommen sind. Aber um das sportliche Durchbeißen und Dranbleiben geht es mir nicht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie der Sport einem in schweren Zeiten helfen kann. Und es sind Eigenschaften, die viele Sportler auszeichnen, die mir wichtig sind.

Eine Person, die mich nachhaltig beeindruckt hat ist Florian Sitzmann. Dank Jenny habe ich einen Beitrag mit und über ihn im Fernsehen geschaut. Früher hätte ich deshalb keine Sendung extra eingeschaltet, heute schon. So ändert sich das Leben.

Florian Sitzmann bezeichnet sich selbst als „der halbe Mann„. Mit 15 Jahren verlor er bei einem Motorradunfall beide Beine und verbrachte 2 Jahre im Krankenhaus. Seither ist sein Name Programm und er bestreitet sein Leben als sitzender Mann. Er macht eine Lehre und wird Sportler. Ein sehr erfolgreicher Handbiker noch dazu. Er nimmt an den Paralympics 2004 teil und stellt 2006 beim  560 Kilometer langen Styrkeprøven-Rennen einen bisher ungebrochenen Rekord auf. Später wird er Autor.

Der Beitrag über ihn, aber vor allem seine eigenen Aussagen kommen mir immer wieder in den Sinn und auch eins seiner Bücher möchte ich gern lesen. Eine zeitlang habe ich nicht verstanden, warum. Wegen seiner sportlichen Erfolge? Wegen seiner Teilnahme bei Olympia? Wegen seines Motorradunfalls? Irgendwann ist mir die Antwort klar geworden: Weil es sich von den Folgen seines Unfalls nicht hat unterkriegen lassen. Weil er sein Leben weiter lebt und seinen Alltag nach seinen eigenen Wünschen gestaltet.

Florian Sitzmann hat sich nicht abgeschrieben und auch nicht abschreiben lassen. Sein Leben hat sich deutlich verändert, aber er ist ein lebensfroher Mensch geblieben. Er hat seine Familie, seine Frau und zwei Kinder. Er baut ein Haus. Er arbeitet, schreibt Bücher, reist und liebt. So wie viele Menschen. So wie du. So wie ich.

Natürlich steht er immer wieder vor Herausforderungen, weil er keine Beine mehr hat. Es kümmert ihn wenig. Er sagt selbst: „Es gibt keine Probleme. Nur Schwierigkeiten, die einer Lösung bedürfen.“

Und genau deshalb, weil er einfach macht, ist er für mich ein unbewusster Held. Es ist diese Einstellung, die ich mir selbst erhalten möchte. Zu sehen, dass andere genau das geschafft haben, hilft. Mindestens im Unterbewusstsein brauchen wir sie doch alle: Unsere persönlichen Helden.

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