„Gehe in das Gefängnis. Begib dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht € 4.000,- ein.“
Oder wahlweise
Ein Esel, dem eine Möhre vor der Nase baumelt und er noch so weit gehen kann, aber doch nicht dran kommt.
So in etwa fühlte ich mich diese Woche, abgesehen vom Gefängnis. Denn wir haben die Reha abgebrochen. Es ergab schlicht keinen Sinn, das musste auch ich einsehen. Es ist mir nicht leicht gefallen und ich stand an dem Tag schon irgendwie neben mir. Dass es mir nicht leicht fiel ist sogar ganz schön untertrieben. Da war das Ziel zum greifen nah und wieder ist es in die Ferne gerückt.
„Das schaffen Sie jetzt ganz leicht. Das ist Kleinkram, vor allem im Vergleich zu dem, was Sie schon durchgemacht haben.“, so die aufmunternden Worte von Frau L. Sie hat natürlich auch dieses Mal Recht! Nur glauben wollte ich das nicht. Mein Fass ist voll. Das war wieder der letzte Tropfen. Momentan sind die Pausen zwischen zwei Tiefs gerade lang genug, dass ich das nächste wieder wegstecken kann. Schwer, aber es geht. Und nach zwei Tagen Trübsal, Tränen und Kopfschütteln bin ich wieder wohlauf.
Was war dieses Mal der Auslöser? Eine (nicht ganz so) alte Bekannte. Eine neue Blase hat sich aufgetan. Dabei war doch alles so schön! Am Montag durfte ich in mein Rehaprogramm einsteigen. War morgens bei der Beingymnastik, dann bei der Physio, Gehschule, Gerätetraining. Alles auch mit Beineinsatz! Am Nachmittag war auch alles noch in feinster Ordnung, keine Rötung, kein nix. Ich durfte dann ruhig auch am späten Nachmittag / Abend nochmal für zwei Stunden meine Prothese tragen. Ich hatte mich an alle Pausen gehalten und auch zwischen den Einheiten mal eine halbe Stunde, mal eine ganze Stunde „gelüftet“. So habe ich das Angebot einer gemeinsamen abendlichen Runde an der frischen Luft ohne zu zögern angenommen. Der Stumpf fühlte sich an wie immer, aber beim Ausziehen des Liners kam die böse Überraschung: eine Blutblase. Klar was das heißt: keine weitere Belastung bis sie abgeheilt ist…
Morgens bei Visite dann viele Augen, die sahen, was sie nicht sehen wollten. Und Dr. L. die aussprach, was alle bereits wussten. Es war auch ihr Rat, noch am gleichen Tag nach Hause zu fahren und die Reha neu anzutreten sobald die Stelle wieder gut abgeheilt ist. Sie machte ein kurze Pause und dann: „Das wäre ja kurz vor Weihnachten. Nein, das ist doof, kommen Sie im Januar wieder.“ Die Bestätigung dessen, was ich am Vorabend schon wusste, zog mir erst einmal wieder den Boden unterm Fuß weg.
Bevor ich aber dann von meinem immer fahrbereiten Papa abgeholt wurde, sollte ich noch flugs ins MRT. Prof. R. wollte gern ein Netz und doppelten Boden und wirklich zu 150 % sicher sein, dass es nicht doch an einer Entzündung oder unzureichender Weichteildeckung des Knochens liegt. Im MRT war ich ja tatsächlich das letzte Mal am Unfalltag, also war das mal wieder etwas anderes. Das Ergebnis war durchweg positiv.
Keine Entzündung und hervorragende Weichteile. Das hört man doch sehr gern! Auch wenn es an dem Nachmittag wenig an meinem Befinden ändern konnte. Die Realität und die gefühlte Realität sind nicht immer deckungsgleich. Frau L. und ich sind uns wenigstens in einem voll und ganz einig: wir gehören zum ungeduldigen Schlag und hätten das Ende am liebsten vorgestern erreicht.
Letztendlich ist es wie die Ereigniskarte bei Monopoly: in der nächsten Runde hat man mehr Glück. Bisher hatte ich bereits zwei Mal einen Termin zur stationären Reha, konnte sie aber nie antreten. Jetzt war ich immerhin dort und habe angefangen. Beim nächsten Mal werde ich sie dann durchziehen können und damit wäre das erste sehr große Ziel erreicht. Bis dahin muss ich weiter vom Laufen träumen. Denn wie sagte noch Oscar Wilde?
„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“
Ich wünsche euch allen einen wunderschönen 2. Advent!
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