Erholung to go, bitte

Müde. Dass man so müde sein kann, hatte ich schon ganz vergessen.

Auch das neue Jahr hatte wieder eine weniger schöne Überraschung im Petto. Vielleicht war ich mir meiner Sache zu sicher, der Aufwärtstrend zu positiv? So musste ich wieder lernen und Erfahrungen sammeln, auf die ich erst einmal getrost hätte verzichten können. Auch wenn ich schon härtere Lehrmeister als diese aktuelle, neue Balse am Stumpf hatte. Dabei wollte ich Prof. R. doch so gern Lügen strafen, dass ich vor der Reha keinen Termin zur Kontrolle brauche, weil es dieses Jahr nur noch rund läuft. Satz mit X? Das war wohl nix.

Woher kam die Blase jetzt schon wieder? Es ist ja immer ein bisschen ein Ratespiel, aber Karsten und ich haben da eine plausible Antwort gefunden. Auf der Geburstagsfeier vergangene Woche bekam ich irgendwann ein unangenhemes Gefühl.  Das ist erst einmal nicht ungewöhnlich und so zog ich einen weiteren Strumpf über den Liner. Entgegen meiner Erwartung und meinen bisherigen Erfahrungen ging das Gefühl aber nicht weg, wurde ganz im Gegenteil sogar schlimmer. Das kam überraschend! Das hatte ich davor noch nie. Nun gut, dachte ich, dann eben Strümpfe aus und weiter. Überraschung… Die Prothese  ging nicht ab. Und ich hatte kurz Panik. Das kann nicht gut sein. Aber wir hatten in den Geburtstag reingefeiert und erst einmal war gratulieren und Ruhe bewahren angesagt. Im Anschluss habe ich einen neuen Anlauf gestartet und konnte mich mit einiger Kraft befreien. Fiel mit da ein Stein vom Herzen!

Auch ohne Strümpfe saß der Schaft bombenfest. Den hat Karsten echt auf den Milimeter genau gebaut. Mit der Erleichterung dämmerte es mir auch langsam. Ich hatte versucht die Physik zu überlisten. Bei der Feier war es unsagbar warm. Bei Wärme dehnen Körper sich aus. So auch ein Amputationsstumpf. Kein Wunder, dass der Schaft so eng wurde. Die Strümpfe waren ja jetzt ab und ich ging wieder feiern. Kein Grund mehr zur Aufregung.

Zu Hause dann das böse Erwachen: Eine Blase in Daumengröße unterm Stumpf… Verdammt. Mir war zum Heulen zumute. Ich wollte aufhören zu leren. Ich möchte diese negativen Erfahrungen nicht mehr machen. Mir reichts!

Noch bevor die Tränen zu strömen beganne, meldete sich dann aber die Erfahrung zu Wort und plötzlich war ich froh darum. Ich erinnerte mich an die Worte von Dr. L.: Steril punktieren und dann ein paar Tage keine Belastung. Und ich erinnerte mich auch daran wie es war, als ich mit einer zunächst harmlosen Blase einfach weiter gemacht hatte. Also punktiert, Jodsalbe drauf und schlafen. Am nächsten Tag startete ich dann schweren Herzens in die nächste Phase des Krückenlaufens.

So eine Wendung setzt mir gerade wegen der Erfolge der Vorwoche unwahrscheinlich zu. Jeder weitere Tag ohne sichtbare Verbesserung zehrt kräftig an meinen Nerven. Noch dazu schlafe ich deshalb wieder schlechter und bin ständig müde. Dass ich eine schnellere Heilung erwartet hatte, hilft mir natürlich auch nicht. Ich möchte doch fast nichts sehnlicher, als in Reha gehen zu dürfen. Ich möchte gern abschließen dürfen. So allerdings wird das nichts.

Ganz nebenbei habe ich nochmal kurz die Prothese getestet. Ich wollte einfach ausschließen, dass ich eine Druckstelle über“merkt“ habe. Nix. Aber es schniefte, schnaufte und schnufte bei jedem Schritt. Also hat Karsten sich diesem Problem angenommen. Er wollte die Lokomotive beseitigen. Und ja, das Ventil ist wohl kaputt. Anfang der Woche gibt es ein neues. Dann hört das schnaufen auf und vielleicht ist dann auch die Blase genug verheilt. Immerhin ist sie nur oberflächlich und muss „nur“ wegtrocknen. Das hat mich doch sehr wieder aufgebaut!

Trotzdem wäre mir Langeweile zur Abwechslung lieber als das ständige Sammeln neuer Erfahrungen. Immer weider ein Rückschritt (egal wie klein oder groß) und dort stagnieren, um in der nächsten Phase halsbrecherich schnelle Fortschritte zu machen, nur um dann wieder einen Rückschlag hinzunehmen. Das ist schwer und geht an meine Substanz. Ich war wieder soweit, dass ich nicht wusste, woher ich noch Kraft nehmen sollte. Ich war wieder so weit, dass die richtige (oder eher falsche?) Frage mir Tränen in die Augen schießen lies. Meinen Eltern gegenüber gute Mine zu machen habe ich längst aufgegeben. Vor Fremden ging es gerade noch. Bei Jenny, Miri, Michael (Therapeuten) & Co. war ich ehrlich, weil es nicht anders ging. Um mir selbst vorzugaukeln, es wäre in Ordnung, reichte die Kraft hinten und vorne nicht mehr. Ab 15 Uhr war ich so müde, dass ich am liebsten ins Bett gegangen wäre. Aber wofür? Wirkliche Erholung gab es dort ja auch nicht. Eigentlich sollte man im Schlaf die Batterien aufladen. Stattdessen lies diese Blase mich nicht los.

Bei den Maori sagt man: Ki te tuoho koe, me mounga teiei. – Wenn du den Kopf beugst, dann vor einem erhabenen Berg. Darf ich etwas bestellen, bitte?

1 x Flachland und Langeweile zum mitnehmen, bitte.

PS: FAQ online


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