Therapien II: Ergo- und Spiegeltherapie

Nach einem Unfall oder einer Verletzung sind verschiedene Faktoren wichtig für eine Rückkehr ins „normale“ Leben. Das sind nicht nur die Familie, Freunde und Ärzte. Es ist wichtig wieder fit zu werden und genau dafür gibt es verschiedene Therapien, denen der Betroffene sich aussetzen kann.

Mein Therapienpaket besteht aus

Physiotherapie
Ergotherapie und
psychologischen Therapieformen.

Über die Physiotherapie im Allgemeinen und meine Physio im Besonderen habe ich ja bereits berichtet. Im zweiten Teil dieser kleinen Reihe möchte ich mich mit der Ergotherapie und in diesem Zuge auch mit der Spiegeltherapie befassen.

Während die Physiotherapie sich eher mit dem Muskelaufbau und der Stärke befasst, geht es bei der Ergotherapie mehr um die Feinmotorik, Gehirn-Körper Koordination. So jedenfalls mein persönlicher Eindruck. Nach Aussage meiner Therapeuten wird die Ergotherapie außerdem häufiger für die obere Körperhältfte eingesetzt. Das übergeordnete Ziel der Ergotherapie ist, wie das der Physiotherapie, dem Patienten zu größtmöglicher Selbstständigkeit zu verhelfen. „Die Bereiche der Mobilität, Bewegungskoordination und Geschicklichkeit und die kognitiven Fähigkeiten wie z.B. Ausdauer, Konzentration, Aufmerksamkeit und Orientierung bedingen möglichst selbstbestimmt zu agieren und sich in seinem persönlichen Umfeld, am Arbeitsplatz oder in der Schule zurecht zu finden.“ (Quelle: Ergotherapie Allnoch)

In der Therapie findet der Patient häufiger Gegenstände aus dem Alltag, die genutzt werden „um physische sowie psychische Beeinträchtigungen zu behandeln, um eine größtmögliche selbständige Lebensführung zu ermöglichen. [So werden im Vergleich] zur Krankengymnastik Störungen der Motorik, Sensorik und Wahrnehmung ausgeglichen. (Qu: Apotheken Umschau) Es kann darum gehen, wie man sich am geschicktesten anzieht, oder sich etwas zu Essen zubereitet. Ganz nebenher werden so die Muskelkraft und Ausdauer geschult oder der Patient in Sachen persönlichem und/oder beruflichem Umfeld beraten. Viele dieser Patienten haben im Vorfeld z. B. einen Schlaganfall erlitten, aber gerade auch Kinder profitieren von gezielter Konzentrationsförderung. Allerdings wird Ergotherapie auch nach chirurgischen Eingriffen verschrieben, wie in meinem Fall oder zum Wiedererlangen der Beweglichkeit der Hände. Der Patient erlernt mit der Hilfe des Egotherapeuten auch den richtigen Umgang mit Hilfsmitteln (Rollstuhl, Prothese, Schreibhilfen, Toilettengriffe…).

Meine Prothese und ich gehen also regelmäßig zur Ergotherapie und freunden uns nicht zuletzt deshalb immer besser an. Zunächst haben meine Therapeuten mich dort nur ein paar Meter laufen lassen und festgestellt, dass meine Körpersymmetrie nicht mehr die Beste ist. Also machten wir viele Übungen zum Gleichgewicht und der Gewichtsverlagerung. Auf beiden Beinen stehen und das Gewicht gleichmäßig verlagern ist ein Beispiel. Das klingt banal, erschien mir aber lange unmöglich. Es fällt mir schwer, einzuschätzen, wann beide Beine gleich viel tragen. Und es ist noch nicht ganz richtig, aber ich werde auch hier sehr gut betreut und habe diesbezüglich große Fortschritte gemacht. Denn normal laufen kann nur, wer sein Gewicht auf 2 Beine (oder eben 1 Bein und 1 Prothese oder 2 Prothesen) verteilen kann, sonst wird es ein schwankender Gang. Und das ist ja nicht das Ziel, es geht immerhin um ‚bestmöglich‘!

Mittlerweile läuft es ja schon ganz gut und wir machen kompliziertere Sachen. Mindestens einmal pro Woche gehe ich einen Parcours ab. Dann muss ich von einem kleinen Hindernis zum nächsten, ohne den Boden zu berühren, auf Balken balancieren oder Seilchenspringen.

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Parcours bei der

Die Ergotherapie hat mich aber auch schon vor der Amputation begleitet. Durch die Muskeltransplantation fehlt mir der Latissimus auf der rechten Seite. Das ist ein sehr großer Muskel im Rücken, der einige Bewegungen stark beeinflusst. Deshalb ging es ganz am Anfang darum, die verbliebenen Muskeln zu trainieren. Mal mit dem Teraband, mal mit imaginären Tabletts oder durch Rolladen hochziehen.
Mit meiner ersten Therapeutin kam ich nicht so richtig gut klar, nach der Amputation habe ich die Praxis gewechselt und das nicht bereut! Meiner Erfahrung nach trägt ein gutes Verhältnis zum Therapeuten/der Therapeutin sehr zum Behandlungserfolg bei. Denn so wie es auch bei Ärzten ist, können Ergotherapeuten nur die perfekte Therapie anbieten, wenn sie genau wissen, wie es einem geht. Was tut weh, was fällt (noch) schwer, worüber wundert der Patient sich, oder wovor hat er vielleicht sogar Angst? Mittlerweile habe ich tolle Ergotherapeuten gefunden, denen ich das alles sagen kann und mit denen ich auch viel lache. Nicht immer findet man solche Therapeuten auf Anhieb, aber es gibt sie!

Wie eingangs erwähnt, befasst die Ergotherapie sich auch mit dem Kopf. Und deshalb ist sie nach einer Amputation eine gute Anlaufstelle für die Spiegeltherapie. Diese zielt auf die Behandlung und/oder Prävention der ominösen Phantomschmerzen ab. Es handelt sich um eine Methode, bei der man sich die optische Stimulation zu Nutze macht. Und das muss man sich in etwa so vorstellen:
Ein Spiegel wird zwischen die gesunde und die amputierte/kranke Extremität gestellt. Die Spiegelfläche soll die gesunde Seite spiegeln. Das betroffene Bein / der betroffene Arm sind hinter dem Spiegel und werden mit einem Tuch so verdeckt, dass man es/ihn nicht sehen kann.

Aus Rothgangel: Übungsanleitung Spiegeltherapie

Ab jetzt ist es wichtig, dass der Patient nur noch in den Spiegel schaut. Wenn ich das mache, sehe ich die Reflexion meines rechten Beines. Weil ich ja aber auch mein tatsächliches rechtes Bein sehe, scheint es als sähe ich meine beiden GESUNDEN Beine. Dann werden mit dem gesunden Körperteil Übungen gemacht. „Durch die Spiegelung sieht es für den Patienten so aus, als ob sich der gelähmte bzw. der schmerzhafte Arm/ Bein beschwerdefrei mitbewegen würde.“ Die Thearpie basiert darauf, dass für das „(Wieder)Erlernen von Bewegungen bestimmte Nervenzellen im Gehirn verantwortlich sind – die so genannten ‚Spiegelneuronen‘. Diese Spiegelneuronen werden sogar dann aktiv, wenn wir Bewegungen oder Berührungen bei anderen Menschen nur beobachten. Auf diesem Prinzip basiert vermutlich auch die Spiegeltherapie. Denn Pilotstudien zeigen, dass diese für das Wiedererlernen von Bewegung wichtigen Hirnregionen auch während der Spiegeltherapie besonders angesprochen werden und so u.a. auch Schmerzen reduziert werden können.“ (Qu: Rothgangel, Übungsanleitung Spiegeltherapie)

Für mich hat es sich von Anfang an so dargestellt, dass man sein Gehirn mit der Spiegeltherapie nach Strich und Faden selbst verarscht. Sie haucht dem geflügelten Wort ‚verarschen kann ich mich selber‘ viel Leben ein. So wie ich die Erklärungen meiner Therapeuten verstanden habe funktioniert es so: Das amputierte Körperteil ist zwar unwiederbringlich weg, das dazugehörige Areal im Gehirn allerdings ist noch da. Der Blick in den Spiegel gaukelt dem Gehirn vor, dass das betroffene Körperteil noch da und noch gesund sei. Daher ‚muss‘ auch nichts weh tun und deshalb kommt es nicht zu Phantomschmerzen oder reduziert sie.

Ich habe schon eine Woche nach der Amputation mit der Spiegeltherapie begonnen und bisher (also ein halbes Jahr später) keine Phantomschmerzen gehabt. Meine Therapeutin hat mir auch von Beginn an gesagt, dass ich mich darauf einlassen muss. Könnte ich das nicht, würde sie nicht helfen und wir könnten in der Zeit etwas anderes machen. Die ersten Male waren für mich wirklich merkwürdig und es hat Anstrengung gekostet meine Zweifel zu diesem Verfahren auf Seite zu schieben. Ich glaube aber es lohnt sich. Bei akuten Phantomschmerzen empfehlen Experten die Spiegeltherapie 1 bis 3 Mal täglich für 10 bis 15 Minuten an mindestens 3 Tagen in der Woche durchzuführen. Und auch dieser Aufwand lohnt sich glaube ich. Mittlerweile mache ich es nur noch ganz sporadisch. Sollten irgnedwann einmal Phantomschmerzen auftreten, werde ich mich aber wieder darauf besinnen.
Auch wenn man die Spiegeltherapie leicht allein zu Hause machen kann, finde ich gerade am Anfang eine Anleitung durch einen (Ergo)Therapeuten sehr hilfreich. Es ist nur nicht leicht dafür qualifizierte Thearpeuten zu finden, dieses Therapeutenverzeichnis hilft dabei.

PS: Ich würde gern ein FAQ anbieten, weil es einige Fragen gibt, die immer wieder gestellt werden. Damit ich auch an alles für euch wichtige Denke, möchte ich euch bitten, eure Fragen zu schicken. Schreib mir. Dankeschön


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Kommentare

  1. Elen

    Super interessant, vielen Dank! Und weiterhin viel Erfolg mit der Reha!!

  2. Eli

    Hey! Das mit der Spiegeltherapie find ich echt spannend. Das kam schon mal in einer Folge von Dr. House vor, hier der Clip: https://youtu.be/qbE2ch-9ZFc. Wird hier wahrscheinlich sehr simplifiziert dargestellt, aber dennoch echt interessant… LG!

  3. Hi Eli, schöner Hinweis, Danke! Bei mir hat der Link nicht funktioniert, vielleicht tut dieser es https://m.youtube.com/watch?v=qbE2ch-9ZFc
    Weil ich ja bisher keine Phantomschmerzen hatte, weiß ich nicht, ob es wirklich so schnell wirken kann. Aber Theorie und Umsetzung werden richtig dargestellt.

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